Impfungen retten mehr als 154 Millionen Menschenleben

WHO, UNICEF, Gavi und die Bill & Melinda Gates Foundation starten die Kampagne «Humanly Possible» zur Ausweitung von Impfprogrammen auf der ganzen Welt während der Weltimpfwoche 2024.

Ein junges Mädchen erhält in Malawi eine Dosis des oralen Polio-Impfstoffs.
Malawi: Die dreijährige Maria Mphetso erhält eine Dosis des oralen Polio-Impfstoffs.

Eine grosse, bahnbrechende Studie, die in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wird, zeigt, dass die weltweiten Impfbemühungen in den letzten 50 Jahren schätzungsweise 154 Millionen Menschenleben gerettet haben – das entspricht sechs Menschenleben pro Minute und Jahr. Die überwiegende Mehrheit der geretteten Leben – 101 Millionen – waren die von Säuglingen. 

Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geleitete Studie zeigt, dass Impfungen von allen Gesundheitsmassnahmen den größten Beitrag dazu leisten, dass Babys nicht nur ihren ersten Geburtstag erleben, sondern auch ein gesundes Leben bis ins Erwachsenenalter führen. Von den in die Studie einbezogenen Impfstoffen hatte die Masernimpfung mit 60% der durch Impfungen geretteten Leben den grössten Einfluss auf die Senkung der Säuglingssterblichkeit. Dieser Impfstoff wird wahrscheinlich auch in Zukunft am meisten dazu beitragen, Todesfälle zu verhindern.

In den letzten 50 Jahren haben Impfungen gegen 14 Krankheiten (Diphtherie, Haemophilus influenzae Typ B, Hepatitis B, Japanische Enzephalitis, Masern, Meningitis A, Keuchhusten, invasive Pneumokokken, Polio, Rotavirus, Röteln, Tetanus, Tuberkulose und Gelbfieber) dazu beigetragen, die Kindersterblichkeit weltweit um 40% und in der afrikanischen Region um mehr als 50% zu senken. 

«Impfstoffe gehören zu den wirkungsvollsten Erfindungen der Geschichte und machen einst gefürchtete Krankheiten vermeidbar», sagte WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. «Dank der Impfstoffe konnten die Pocken ausgerottet werden, die Kinderlähmung steht kurz vor der Ausrottung, und mit der neueren Entwicklung von Impfstoffen gegen Krankheiten wie Malaria und Gebärmutterhalskrebs verschieben wir die Grenzen von Krankheiten nach hinten. Durch fortgesetzte Forschung, Investitionen und Zusammenarbeit können wir heute und in den nächsten 50 Jahren weitere Millionen Leben retten»

Die Studie ergab, dass für jedes durch Impfungen gerettete Leben durchschnittlich 66 Jahre voller Gesundheit gewonnen wurden – insgesamt 10,2 Milliarden Jahre voller Gesundheit über die fünf Jahrzehnte. Als Ergebnis der Impfung gegen Polio können heute mehr als 20 Millionen Menschen gehen, die sonst gelähmt gewesen wären, und die Welt steht kurz davor, die Kinderlähmung ein für alle Mal auszurotten. Diese Fortschritte bei der Überlebensrate von Kindern machen deutlich, wie wichtig es ist, weiter Entwicklungen im Bereich der Immunisierung weltweit zu schützen. 

Verbesserung des Zugangs zu Impfangeboten

Die Studie, die im Vorfeld des 50-jährigen Bestehens des Erweiterten Impfprogramms (EPI) im Mai 2024 veröffentlicht wird, ist die umfassendste Analyse der globalen und regionalen Auswirkungen des Programms auf die Gesundheit in den letzten fünf Jahrzehnten. 

Das 1974 von der Weltgesundheitsversammlung ins Leben gerufene EPI hatte ursprünglich zum Ziel, alle Kinder gegen Diphtherie, Masern, Keuchhusten, Kinderlähmung, Tetanus, Tuberkulose sowie gegen die Pocken (die einzige jemals ausgerottete menschliche Krankheit) zu impfen. Heute umfasst das Programm, das jetzt als Grundlegendes Impfprogramm bezeichnet wird, universelle Empfehlungen für die Impfung gegen 13 Krankheiten und kontextspezifische Empfehlungen für weitere 17 Krankheiten, wodurch die Reichweite der Immunisierung über Kinder hinaus auf Jugendliche und Erwachsene ausgedehnt wird.

Die Studie unterstreicht, dass weltweit weniger als 5% der Säuglinge Zugang zu Routineimpfungen hatten, als das EPI eingeführt wurde. Heute sind 84 % der Säuglinge mit drei Dosen des Impfstoffs gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (DTP) geschützt – der globale Massstab für die Durchimpfung.

Fast 94 Millionen der geschätzten 154 Millionen Menschenleben, die seit 1974 gerettet wurden, sind auf den Schutz durch Masernimpfstoffe zurückzuführen. Dennoch gab es im Jahr 2022 immer noch 33 Millionen Kinder, die eine Masernimpfung verpasst hatten: fast 22 Millionen verpassten ihre erste Dosis und weitere 11 Millionen ihre zweite. Eine Durchimpfungsrate von mindestens 95% mit zwei Dosen eines Masernimpfstoffs ist erforderlich, um Gemeinschaften vor Ausbrüchen zu schützen. Derzeit liegt die weltweite Durchimpfungsrate für die erste Dosis Masernimpfstoff bei 83% und für die zweite Dosis bei 74%, was zu einer sehr hohen Zahl von Ausbrüchen in der ganzen Welt beiträgt. 

Um die Durchimpfungsrate zu erhöhen, beschafft UNICEF als einer der weltweit grössten Käufer von Impfstoffen jedes Jahr mehr als zwei Milliarden Dosen im Auftrag von Ländern und Partnern, um knapp die Hälfte der Kinder weltweit zu erreichen. Zusätzlich wird daran gearbeitet, die Impfstoffe selbst in die abgelegensten Gebiete zu liefern, damit auch in diesen meist unterversorgten Gemeinden der Zugang zu Impfdiensten sichergestellt werden kann.

«Dank der Impfungen überleben heute mehr Kinder ihren fünften Geburtstag und gedeihen besser als je zuvor in der Geschichte», sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «Diese enorme Leistung ist ein Verdienst der gemeinsamen Anstrengungen von Regierungen, Partnern, Wissenschaftlern, Gesundheitsfachkräften, der Zivilgesellschaft, Freiwilligen und Eltern selbst, die alle an einem Strang ziehen, um Kinder vor tödlichen Krankheiten zu schützen. Wir müssen auf diesem Schwung aufbauen und sicherstellen, dass jedes Kind überall Zugang zu lebensrettenden Impfungen hat.»

Im Jahr 2000 wurde Gavi, die Impfstoffallianz (zu deren Gründungsmitgliedern die WHO, UNICEF und die Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) gehören) ins Leben gerufen. Diese soll die Wirkung der EPI zu verstärken und den ärmsten Ländern der Welt dabei helfen, die Durchimpfungsrate zu erhöhen, von neuen, lebensrettenden Impfstoffen zu profitieren und den Schutz gegen eine wachsende Zahl von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten zu erweitern. Diese verstärkten Bemühungen haben dazu beigetragen, mehr Leben zu retten und die Impfgerechtigkeit weiter zu fördern. 

Heute hat Gavi ermöglicht, eine ganze Generation von Kindern zu schützen, und stellt nun Impfstoffe gegen 20 verschiedene Infektionskrankheiten bereit: Darunter den HPV-Impfstoff und Impfstoffe gegen Ausbrüche von Masern, Cholera, Gelbfieber, Ebola und Meningitis. 

«Gavi wurde gegründet, um auf der Partnerschaft und den Fortschritten aufzubauen, die durch EPI ermöglicht wurden, und um den Schutz der Schwächsten in der Welt zu verstärken», sagte Dr. Sania Nishtar, CEO von Gavi, der Vaccine Alliance. «In etwas mehr als zwei Jahrzehnten haben wir unglaubliche Fortschritte erzielt – wir haben mehr als eine Milliarde Kinder geschützt, zur Halbierung der Kindersterblichkeit in diesen Ländern beigetragen und wirtschaftliche Vorteile in Milliardenhöhe geschaffen. Impfstoffe sind die beste Investition, die wir tätigen können, um sicherzustellen, dass alle Menschen, egal wo sie geboren werden, das gleiche Recht auf eine gesunde Zukunft haben: Wir müssen sicherstellen, dass diese Bemühungen vollständig finanziert werden, um die erzielten Fortschritte zu schützen und den Ländern zu helfen, die aktuellen Herausforderungen ihrer Impfprogramme zu bewältigen.»

Impfprogramme sind aufgrund ihrer grossen Reichweite und ihres breiten Erfassungsbereichs zum Fundament der primären Gesundheitsdienste in Gemeinden und Ländern geworden. Sie ermöglichen nicht nur Impfungen, sondern auch andere lebensrettende Massnahmen wie Ernährungsberatung, Tetanusprävention bei Müttern, Krankheitsvorsorge und die Verteilung von Moskitonetzen zum Schutz von Familien vor Krankheiten wie Malaria.

Da die Studie nur die gesundheitlichen Auswirkungen von Impfungen gegen 14 Krankheiten erfasst, ist die Zahl der durch Impfungen geretteten Leben eine vorsichtige Schätzung und stellt keine vollständige Darstellung der lebensrettenden Wirkung von Impfstoffen dar. Gesellschaftliche, wirtschaftliche oder bildungspolitische Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden haben in den letzten 50 Jahren ebenfalls zu einer weiteren Verringerung der Sterblichkeit beigetragen. Heute gibt es Impfstoffe, die gegen mehr als 30 lebensbedrohliche Krankheiten schützen.   

Der HPV-Impfstoff, der vor Gebärmutterhalskrebs bei Erwachsenen schützt, wurde in der Studie zwar nicht berücksichtigt, doch wird erwartet, dass er in Zukunft eine grosse Zahl von Todesfällen verhindern wird, da die Länder auf eine Erhöhung der Impfziele hinarbeiten, um Gebärmutterhalskrebs bis 2030 zu eliminieren. Neue Impfstoffe, z. B. gegen Malaria, COVID-19, das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) und Meningitis, sowie Cholera- und Ebola-Impfstoffe, die bei Ausbrüchen eingesetzt werden, werden in den nächsten 50 Jahren weitere Leben retten.

Die Rettung weiterer Millionen Menschenleben ist möglich

Globale Impfprogramme haben gezeigt, was möglich ist, wenn viele Beteiligte, darunter Staatsoberhäupter, regionale und globale Gesundheitsbehörden, Wissenschaftler, Wohlfahrtsverbände, Hilfsorganisationen, Unternehmen und Gemeinden, zusammenarbeiten. Heute stellen WHO, UNICEF, Gavi und BMGF die gemeinsame Kampagne «Humanly Possible» vor, die anlässlich der jährlichen Weltimpfwoche vom 24. bis 30. April 2024 stattfindet. Die weltweite Kommunikationskampagne appelliert an die Staats- und Regierungschefs der Welt, sich für Impfstoffe und die Impfprogramme einzusetzen, sie zu unterstützen und zu finanzieren. Dadurch soll ihr Engagement für die öffentliche Gesundheit bekräftigt werden und gleichzeitig eine der grössten Errungenschaften der Menschheit zelebriert werden. 

In den nächsten 50 Jahren der EPI geht es nicht nur darum, ungeimpfte Kinder zu erreichen, sondern auch darum, Grosseltern vor Grippe, Mütter vor Tetanus, Jugendliche vor HPV und alle Menschen vor Tuberkulose und vielen anderen Infektionskrankheiten zu schützen. «Es ist inspirierend zu sehen, was Impfstoffe in den letzten fünfzig Jahren möglich gemacht haben, dank der unermüdlichen Bemühungen von Regierungen, globalen Partnern und Gesundheitsfachkräften, sie mehr Menschen zugänglich zu machen», sagte Dr. Chris Elias, Präsident für globale Entwicklung bei der Bill & Melinda Gates Foundation. «Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser unglaubliche Fortschritt ins Stocken gerät. Wenn wir weiter in Impfungen investieren, können wir sicherstellen, dass jedes Kind – und jeder Mensch – die Chance auf ein gesundes und produktives Leben hat.»